Hier fand man immer ein paar noch leidlich frische Blumen für einen kleinen Strauß, der sich so gut machte auf dem Küchentisch. Ellen achtete darauf, von jedem Grab immer nur eine oder zwei Blumen zu nehmen und sich jedesmal bei dem dort Liegenden zu bedanken. Von den Einheimischen hatte sich auch noch nie jemand beschwert. Anders war das mit den Besuchern. Die hatten ihr schon mal mit einer Anzeige gedroht. Also achtete sie darauf, nicht gesehen zu werden.
Heute war gar nichts los, sie hatte keine Mühe, sich ungesehen eine hübsche Handvoll Blumen zusammen zu klauben. Zuletzt kam Ellen noch zum Grab von Arthur F. Dort lagen fast jeden Tag frische Blumen, immer Lilien, anmutig und schwer duftend.
Als sie heute in Sichtweite des Grabes kam, sah sie die weißen Blüten nicht auf dem Grab leuchten, sondern in der Hand einer Frau, die neben dem Grab stand. Soweit Ellen es von Weitem erkennen konnte, war sie mittleren Alters, hübsch, adrett angezogen und mit einer zickigen Attitüde.
Ellen zögerte etwas, näherte sich aber dann doch der letzten Ruhestätte von Arthur F. Die Frau war scheinbar etwas aufgebracht, schimpfte und redete mit heftigen Gebärden auf das Grab ein. Sie war so in ihre Schimpftirade vertieft, dass sie Ellen erst im letzten Moment bemerkte. Sie hielt inne und lächelte entschuldigend. „Oh, ich hoffe, Sie haben noch nicht länger zugehört,“ brachte sie etwas unsicher hervor. „Er war ein Scheusal, wissen Sie, er hat mir das Leben zur Hölle gemacht.“
Ellen wusste nicht recht, was sie sagen sollte. „Achso, “ sagte sie und schwieg verlegen. Die Frau schwieg ebenfalls. Irgendetwas hielt Ellen noch davon ab, weiter zu gehen. Nicht zuletzt hatte Sie ihre Lilie noch nicht bekommen. „Aber wieso bringen Sie ihm dann Blumen?“ „Oh,“ lächelte die Frau selbstzufrieden, „er hat Lilien gehasst, er konnte den Geruch nicht ausstehen.“
Mit diesen Worten bückte sie sich, legte die Blumen auf das Grab, arrangierte sie noch etwas, warf einen letzten prüfenden Blick darauf und drehte sich wieder zu Ellen um. „Er hat es verdient.“
Ellen blickte ihr noch eine Weile hinterher.
Dann kniete sie am Grab nieder, nahm zwei der Lilien und sagte: „Wenn Sie sie nicht mögen, macht es Ihnen ja nichts aus, wenn ich heute mal zwei stibitze. Aber für den Fall, dass Sie wirklich ein Scheusal waren, lasse ich die anderen liegen. Vielen Dank auch.“
Eine schöne, leichtfüßige Geschichte - ich mag die vom Friedhof Blumen klauende Frau, die offensichtlich nicht in das Klischee der "Gesteckräuber" passt, schon allein, da sie die Blumen für den Hausgebrauch entwendet und sich bei den Bestohlenen bedankt. Hat Potential!
Es war Spätsommer gewesen, die Sonne stand schon tief und färbte die Felder rotgold. Die Luft war voller Surren, Schwirren und Summen, es roch nach Staub, Ähren und Feldblumen.
An der ansonsten recht klapprigen Pforte zum Friedhof war das Enblem eines goldenen Löwenkopfes gewesen, was sie als zumindest leicht ungewöhnlich vermerkt hatten, gab es doch in dieser Gegend keinen Adel mehr, seit ein paar hundert Jahren.
Er suchte einen günstigen Winkel für das Katalog-Photo, während sie schon durch die Reihen streifte und die Gräber und Grabsteine auf Ungewöhnlichkeiten überprüfte. Doch das einzig Besondere hier schienen die kräftigen und farbfrohen Bepflanzungen zu sein.
Er bemerkte, dass der Friedhof durch das kleine Wäldchen am Westende nicht begrenzt wurde, sondern einen weiteren Winkel ausfüllte, der von der Straße nicht einsehbar war. Er stockte, als er des kleine, gemauerte Gebäude, das nur ein Schuppen sein konnte, sah. Fensterlos, mit nur einer schweren Eisentür - und einem spitzen Dach, welches beinahe so hoch wie die Birken rings herum war. Mindestens vier Meter.
Er ging einige Schritte zurück und wollte sie ranwinken, könnte sie aber nirgends sehen, vermutlich kniete sie irgendwo zwischen den Büschen. Also untersuchte der die massive Konstruktion erst einmal genauer und macht noch einige Bilder aus anderen Winkeln. Er hatte das Blitzlicht im Wagen gelassen und musste die Bilder länger belichten. Und so saß er immer noch staunend und grübelnd im Gebüsch neben dem Stativ - im letzten Schein einer roten Sonne.
Er hörte ihre Schritte auf dem Kies und hoffte, sie würde nicht ins Bild laufen. Er schloss rasch die Blende und in dem Moment fiel donnernd eine schwere Metall-Tür ins Schloss.
Ich mag besonders die Atmosphäre, die der Text entstehen lässt. Und dass er soviel offen lässt. Es ist ein Beginn oder ein Fragment, ich kann an vielen Stellen einhaken und mir ausmalen, wie es weitergehen könnte, in welche Zusammenhänge die Szene eingebettet ist.
Schön ist auch die genaue, detailreiche Beschreibung.
Wollen wir eigentlich auch ganz konkrete Textarbeit machen, also Verbesserungsvorschläge, Korrekturen etc.? Und dann vielleicht als Ergebnis den Text überarbeiten? - Frag ich mal so.
Ich bin mir sicher, ob ein Blog dafür die richtige (auch techn.) Plattform ist. Zudem scheint es mir weniger dem (zugegebenermaßen eher vagen) 30-Minuten-Konzept zu entsprechen, noch endlos daran zu feilen... *hüstel* und ich bin mir nicht sicher, dass ich zu "ernsthafter" Textarbeit überhaupt in der Lage bin - naja, und es setzt die Schweinehundschwelle höher. Tja, dann probieren wir's halt mal....
Das Bild ist aus meinem Repertoire und erschien mir ein gute Vorlage zu sein - was sich beim Schreiben als grobe Fehleinschätzung herausstellte. Außerdem ist's schon wieder ein Friedhof, was bei der noch geringen Zahl an Postings eine ungewollte Tendenz darstellen könnte.
Durch die Blume
Heute war gar nichts los, sie hatte keine Mühe, sich ungesehen eine hübsche Handvoll Blumen zusammen zu klauben. Zuletzt kam Ellen noch zum Grab von Arthur F. Dort lagen fast jeden Tag frische Blumen, immer Lilien, anmutig und schwer duftend.
Als sie heute in Sichtweite des Grabes kam, sah sie die weißen Blüten nicht auf dem Grab leuchten, sondern in der Hand einer Frau, die neben dem Grab stand. Soweit Ellen es von Weitem erkennen konnte, war sie mittleren Alters, hübsch, adrett angezogen und mit einer zickigen Attitüde.
Ellen zögerte etwas, näherte sich aber dann doch der letzten Ruhestätte von Arthur F. Die Frau war scheinbar etwas aufgebracht, schimpfte und redete mit heftigen Gebärden auf das Grab ein. Sie war so in ihre Schimpftirade vertieft, dass sie Ellen erst im letzten Moment bemerkte. Sie hielt inne und lächelte entschuldigend. „Oh, ich hoffe, Sie haben noch nicht länger zugehört,“ brachte sie etwas unsicher hervor. „Er war ein Scheusal, wissen Sie, er hat mir das Leben zur Hölle gemacht.“
Ellen wusste nicht recht, was sie sagen sollte. „Achso, “ sagte sie und schwieg verlegen. Die Frau schwieg ebenfalls. Irgendetwas hielt Ellen noch davon ab, weiter zu gehen. Nicht zuletzt hatte Sie ihre Lilie noch nicht bekommen. „Aber wieso bringen Sie ihm dann Blumen?“ „Oh,“ lächelte die Frau selbstzufrieden, „er hat Lilien gehasst, er konnte den Geruch nicht ausstehen.“
Mit diesen Worten bückte sie sich, legte die Blumen auf das Grab, arrangierte sie noch etwas, warf einen letzten prüfenden Blick darauf und drehte sich wieder zu Ellen um. „Er hat es verdient.“
Ellen blickte ihr noch eine Weile hinterher.
Dann kniete sie am Grab nieder, nahm zwei der Lilien und sagte: „Wenn Sie sie nicht mögen, macht es Ihnen ja nichts aus, wenn ich heute mal zwei stibitze. Aber für den Fall, dass Sie wirklich ein Scheusal waren, lasse ich die anderen liegen. Vielen Dank auch.“